Sozialstation Wolfenbüttel, Hauspflegeverein e. V.

Chronik

Anfangs war es kleine Gruppe „Mütter auf Zeit“, die sich im Auftrag des Paritätischen um Kinder kümmerten, deren Mutter zur Kur mussten. Mit den Jahren veränderten sich die Aufträge, heute kümmern sich die Mitarbeitenden vor allem um ältere Menschen.

Wer es genau nehmen möchte: Die Gründung des Hauspflegevereins jährt sich erst im Jahr 2028 zum sechzigsten Mal. Aber die Ursprünge der häuslichen Pflege liegen tatsächlich im Jahr 1961: Am 1. Juli gründete der Paritätische, der damals noch Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband hieß, eine Hauspflegestation. Etwas Vergleichbares gab es in der Region nicht – die Station mit Sitz im Großen Zimmerhof in Wolfenbüttel war damals die zweite Einrichtung dieser Art in Niedersachsen.
Im Jahr 2016 übernahm Olga Schell die Geschäftsführung des gemeinnützigen Vereins, dessen Geschichte nicht nur eng mit dem Paritätischen verbunden ist – sie teilen sich in Wolfenbüttel auch ein Dach. Beide haben ihren Sitz in der Kommißstraße 5. Die Vorgängerin, Gabriele Düe, die 25 Jahre lang die Geschäftsführerin des Hauspflegevereins, war, prägte die Entwicklung des Hauspflegevereins. Noch prägender waren wahrscheinlich nur die erste Leiterin, Schwester Anni Töpfer, und der aktuelle Vorsitzende, Prof. Dr. Manfred Fild. Er wurde im Jahr 1991 zum Vorsitzenden gewählt“. Für seine langjährige Vorstandsarbeit erhielt er im Juli 2021 in einer Feierstunde die silberne Ehrennadel des Paritätischen Wohlfahrsverbandes .

Wolfenbüttels Soziale Feuerwehr

Anni Töpfer war es, die die ersten vier Hauspflegerinnen einteilte und in ihre Aufgaben unterwies. In den ersten Jahren bedeutete dies zumeist, die Rolle einer Mutter auf Zeit einzunehmen: Solange die Frau des Hauses zur Kur war, unterstützen die Pflegerinnen die Familien beim Wäsche waschen, kochen und Betreuung der Kinder. Manches Mal auch bei der Pflege von Angehörigen, die mit im Haushalt lebten. Zahlreiche Zeitungsartikel aus dieser Zeit berichten davon, wie schnell sich das Angebot etablierte. Innerhalb des ersten Jahres leistete die Soziale Feuerwehr, wie die Frauen auch genannt wurden, rund 5000 Pflegestunden. In den Folgejahren stieg die Zahl der geleisteten Stunden kontinuierlich. Auch Mitarbeitende gab es immer mehr. Aktuell sind 45 Mitarbeitende in der ambulanten Pflege, im Tagespflegehaus „Neuen Weg“, als hauswirtschaftliche und Betreuungskräfte beschäftigt.

1968 löste sich die Hauspflegestation aus rechtlichen Gründen vom Wohlfahrtsverband, was zur Geburtsstunde des Paritätischen Hauspflegevereins wurde. „An den Aufgaben änderte sich aber erst einmal nichts. Zum ehrenamtlichen Vorstand des Vereins gehörten damals der Rechtsanwalt und Notar Horst Ahlbrecht sowie Dr. Liselotte Rieke und der Bankdirektor Kirchhof. Mit den Jahren passte sich der Name des Vereins dann immer mal wieder etwas an die aktuellen Ansprüche, Gewohnheiten und an die Leistungen an“, berichtet Schell. Die im Verein beschäftigten Schwestern, die Hauspflegerinnen, übernahmen mit mütterlicher Fürsorge die Versorgung von Kindern, Kranken und Senioren im häuslichen Umfeld.

Eine der großen Veränderungen war die Einführung der Sozialstationen in Niedersachsen Mitte der 1970er-Jahre. Zu der Zeit gab es erst wenige private oder als Verein organisierte Pflegedienste, aber der Bedarf für die häusliche Pflege war vorhanden. Mit der Einführung der Sozialstationen sollte die ambulante Versorgung grundlegend verändert werden. Entsprechende Fördermittel zur Weiterentwicklung des eigenen Angebotes und Fortbildung der Mitarbeiterinnen gab es aber nur, wenn eine Einrichtung auch vom Land anerkannt wurde. 1978 war es soweit: Der Paritätische Hauspflegeverein wurde zur Sozialstation Wolfenbüttel.

Gemeinsam den Alltag erleben

Seit 1991 ist Professor Dr. Manfred Fild der Vorsitzende des Hauspflegevereins. Im selben Jahr wurde Gabriele Düe zur Geschäftsführerin. Drei Jahre später schlossen sie mit der Eröffnung des Tagespflegehaus „Neuer Weg“ die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Damit war der Hauspflegeverein ein Vorreiter der modernen Pflege, denn ein ähnliches Angebot gab es damals in Wolfenbüttel noch nicht. Von Montag bis Freitag kommen täglich bis zu 15 Betreute in die Einrichtung am Neuen Weg und verbringen gemeinsam abwechslungsreiche Stunden. Die Gäste der Tagespflege wohnen weiterhin zu Hause, aber für die pflegenden Angehörigen ist es eine Entlastung. Neben den sozialen Kontakten und der qualifizierten Betreuung bieten wir therapeutische Maßnahmen wie Bewegungsübungen und Gedächtnistraining. Auch das gemeinsame Essen in einer lockeren Runde gehört zum Angebot der Tagespflege. Auf den Tisch kommen Gerichte aus der eigenen Küche, die Gäste können den Speiseplan mitgestalten. Und wenn sich der Tag dem Ende entgegenneigt, bringt der eigene Fahrdienst die Gäste wieder nach Hause in ihre gewohnte Umgebung.

Demenzberatung

Auch Menschen mit einer Demenzerkrankung sind in der Tagespflege willkommen. Die Sozialstation Wolfenbüttel war eine der ersten Organisation in Niedersachsen, die von der Landesregierung als Demenzberatungsstelle anerkannt wurde. Neben der individuellen Pflege und Betreuung der Betroffenen übernimmt die Sozialstation die Begleitung der Angehörigen. Denn der Alltag mit demenziell erkrankten Personen ist nicht nur durch die medizinische Versorgung anspruchsvoll – oft ist es auch eine psychische Belastung. Rund 80 Prozent der Menschen mit einer Demenz werden von ihren Familienangehörigen zu Hause betreut, das erfordert viel Geduld und Zeit. Der Hauspflegeverein hat sowohl Gruppenangebote für Erkrankte als auch Einzelförderung, zum Beispiel betreute Spaziergänge. Für die Angehörigen entstehen gleichzeitig kleine Ruhepausen im Alltag.
Für diejenigen, die noch gut alleine in ihren eigenen vier Wänden leben können, hat der Hauspflegeverein den Hausnotruf und hauswirtschaftliche Hilfen in das Leistungsangebot aufgenommen. Denn in eine Notsituation kann jeder leicht geraten und wer bereits Grundpflege erhält, hat oft auch Bedarf auf Hilfe in seinem Alltag. Sei es beim Einkaufen, Wäsche waschen oder für eine Grundordnung in der Wohnung.

Das erste Jahrzent

Am 1. Juli 1961 gründete der Paritätische, der damals noch Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband hieß, eine Hauspflegestation. Vier Schwestern gingen unter der Leitung von Anni Töpfer in Haushalte und Familien, in denen die Mutter sich kurzzeitig um die Kinder, den Haushalt oder pflegebedürftige Angehörige kümmern konnten. Das Angebot stieß auf einen riesigen Bedarf. Schon bald suchte Anni Töpfer weitere Frauen, die sich der „Sozialen Feuerwehr“ anschlossen. Die Muttis auf Zeit waren da, wenn sie gebraucht wurden. Im Jahr 1969 waren täglich durchschnittlich 22 Pflegerinnen im Einsatz.

Das zweite Jahrzent

Wolfenbüttels Soziale Feuerwehr ist ständig im Einsatz und wächst kontinuierlich. Damit die Frauen schnell von einer Einsatzstelle zur anderen können, spendet der Lions Club zum zehnjährigen Bestehen des Hauspflegevereins Wolfenbüttel einen VW Käfer – was für eine Arbeitserleichterung! Die Betreuung und Erziehung von Kindern, deren Mutter akut erkrankt ist, gehört weiterhin zu den Kernaufgaben der Schwestern. Eine in dieser Zeit entstandene Aufnahme bei einer Weihnachtsfeier mit Kindern aus dem Landkreis, die von Pflegerinnen betreut worden sind, ziert Jahre später noch die

Weihnachtskarten, die der Vorsitzende Horst Ahlbrecht verschickt. 1976 erfolgte die offizielle Umbenennung in Sozialstation Wolfenbüttel – Hauspflegeverein e. V., die Anerkennung als solche erfolgte im Februar 1978.

Das dritte Jahrzent

300.000 Pflegestunden – das ist die Bilanz nach 25 Jahren Einsatz für Wolfenbüttel. Zur Feierstunde empfing der Vorsitzende Horst Ahlbrecht, auf dem Bild links, zahlreiche politische Vertreter, aber auch die Mitarbeiterinnen zu einer Feierstunde. Kurz vor dem Jubiläum, im Jahr 1985, arbeiteten 40 Pflegerinnen für den Sozial­station Wolfenbüttel – Hauspflege­verein e. V. und leisteten 80.000 Stunden im Bereich der häuslichen Kranken- und Altenpflege sowie der Haus- und Familienpflege. Ohne diese ambulanten Dienstleistungen hätten ungefähr jeder dritte ihrer Patienten in ein Alten- oder Pflegeheim übersiedeln müssen, erklärte Schwester Erika Comes gegenüber einem Fachausschuss der Arbeiterwohlfahrt. Sie war die Nachfolgerin von Schwester Anni Töpfer als Geschäftsführerin. Bereits während ihrer Amtszeit kamen immer wieder Themen auf, die einem auch heute noch bekannt vorkommen: Die Gelder, die der Verein für seine Leistungen von den Krankenkassen bekam, waren zu niedrig.

Das vierte Jahrzent

Die 1990er waren spannend. Nicht nur, dass sich Wolfenbüttel mit der Wiedervereinigung veränderte: Auch der Sozialstation Wolfenbüttel – Hauspflegeverein e. V. war im Umbruch. Pünktlich zum 30. Jahr der Einrichtung, zum 1. Juli 1991, übernahm Professor Dr. Manfred Fild den Vorsitz, die Geschäftsführung legte der Vorstand in die Hände von Gabriele Düe. Und knapp drei Jahre später eröffnete am Neuen Weg die erste Tagespflegeeinrichtung in Wolfenbüttel. Auf 300 Quadratmetern entstand ein barrierefreies Umfeld für 15 Besucher pro Tag. Der gemeinsame Alltag erinnerte, wie ein Journalist damals schrieb, an das Leben in einer Großfamilie: Gemeinsame Mahlzeiten und Gruppenaktivitäten wechseln sich mit Phasen ab, in denen jeder seinen eigenen Interessen nachgeht.

Das fünfte Jahrzent

Zuwendung und Hilfe: Der Alltag mit einer demenziellen Erkrankung ist nicht einfach. In den Jahren nach der Jahrtausendwende erhält das Thema Demenz einige mediale Aufmerksamkeit und auch die Sozialstation Wolfenbüttel – Hauspflegeverein e. V. bietet Informationsveranstaltungen und Fortbildungen für Angehörige von Erkrankten an. Die Demenzberatung wird ins Leben gerufen. Je nach Schweregrad der Erkrankung unterstützenden die Mitarbeiterinnen bei der Pflege im häuslichen Umfeld, übernehmen Aufgaben im Haushalt, bieten Beschäftigungsangebote an oder übernehmen im Tagespflegehaus die Betreuung für mehrere Stunden am Tag. Das Jahrzehnt ist auch eine Zeit der Renovierungen: Viele der in die Jahre gekommenen Räumlichkeiten erhalten mit Unterstützung von Stiftungen und Firmenspenden neue Möbel und eine Renovierung. Ein besonders geschätztes Fahrzeug des Vereins konnte 2010 mit Hilfe der Mast-Jägermeister-Stiftung erworben werden: Ein Transporter mit Rollstuhlplätzen.

Das sechste Jahrzent

Nach 25 Jahren übergibt Gabriele Düe im Jahr 2016 die Geschäftsführung an Olga Schell. Pflegereformen haben den Alltag und vor allem die Abrechnung mit den Kranken- und Pflegekassen stark verändert. Um sich weiter zu entwickeln, macht sich der Verein auf die Suche nach einem geeigneten Baugrundstück. Aber das ist in Wolfenbüttel gar nicht so einfach – die Suche dauert an. 2019 feiert die Tagespflege ihr 25-Jähriges – mit vielen Gästen und einem bunten Programm, so wie es alle Mitarbeitenden, Patientinnen und Patienten kennen und mögen. Ein Jahr später legt die Corona-Pandemie das öffentliche Leben lahm. Pflege im häuslichen Umfeld, aber auch in der Tagespflege, wurde zu einer organisatorischen Herausforderung, um Ansteckungen zu vermeiden.