Anlässlich der Landtagswahl am 9. Oktober hat Sven Dickfeld, der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Wolfenbüttel, zum sozialpolitischen Frühstück in die Kommisse eingeladen. In lockerer Runde trafen sich DirektkandidatInnen und VertreterInnen von Mitgliedsorganisationen des Paritätischen, um sich auszutauschen und zu vernetzen.
Themen waren unter anderem die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die aktuelle Energie-Krise, Sorge um Bildung, Handwerk und den allgemeinen Fachkräftemangel, aber vor allem die Belastung der privaten Haushalte und der Schutz der Kinder vor den Auswirkungen der gegenwärtigen Situation.
Besonders bemerkenswert war die partei- und organisationsübergreifende Verbundenheit, mit der sich alle Beteiligten zu den aktuellen Themen ausgetauscht haben.
Sarah Grabenhorst-Quidde (CDU) fasste zusammen: „Es ist wichtig, dass wir im Wahlkampf nicht gegeneinander schießen. Wir brauchen Gelegenheiten zum Austausch, wie wir sie heute haben, um zum Wohle der BürgerInnen zusammenzuarbeiten.“
Marcus Bosse (SPD) wies auf die Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden hin, die von den aktuellen Krisen ausgeht. „Wir sind eine solidarische Gesellschaft. Es ist in Putins Interesse, den europäischen Zusammenhalt zu spalten und die BürgerInnen in den Ländern gegeneinander auszuspielen, um Demokratien zu schwächen. Unsere Aufgabe ist es, die soziale Balance zu halten und gerechte Hilfen zu kreieren.“
Holger Bormann (CDU) ergänzte: „Wir müssen in dieser Zeit den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken und dürfen nicht zulassen, dass radikales Gedankengut die Menschen spaltet.“
Jan Schröder (SPD) wies darauf hin, dass viele Instrumente, die die aktuellen Krise steuern können, Bundesebene angesiedelt sind. Aber er sieht auch Möglichkeiten im Land Niedersachsen: „Für mich ist klar, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Niedersachsen unbedingt vorangetrieben werden muss. Wir müssen die BürgerInnen, aber auch kleine und mittlere Betriebe bei der Bewältigung der Energiekosten kurz- und langfristig unterstützen.“
Ulrike Hesselbach vom Kinderschutzbund merkte dazu an, dass viele Familien knapp oberhalb der Einkommensgrenze für Transferleistungen von der aktuellen Krise besonders hart betroffen sind: „Der Kinderschutzbund mahnt schon lange an, dass diese Familien Unterstützung benötigen. Hier werden die Versäumnisse der Letzten 16 Jahre besonders sichtbar!“.
Auch Nico Söhnel (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass gerade Kinder und Jugendliche in der aktuellen Situation zu leiden haben: „Schon durch Corona hatten wir spürbare Einschränkungen in den sozialen Kontakten, die aktuelle Krise wird wieder die Kinder treffen und birgt die Gefahr, Familien zu zerstören!“ In Bezug auf das Bildungssystem mahnt er eine wirkungsvolle Digitalisierung und eine größere Praxisnähe im Lehramtsstudium an: „Hier müssen wir ran! Moderne Methoden und aktuelles Wissen müssen in die Ausbildung einfließen.“ Er schlug vor, Strukturen für mehr Praxiseinheiten an Schulen zu schaffen, um den Lehramtsstudierenden Erfahrungen zu ermöglichen und die Schulen zu entlasten.
Olga Schell, die Geschäftsführerin des Hauspflegevereins, wies darauf hin, dass die Pflegebranche sehr stark vom Fachkräftemangel betroffen ist. Es konnten zeitweise keine Neuaufnahmen mehr vorgenommen werden. Die Rahmenbedingungen müssen durch die Politik deutlich verbessert werden. Sie wünscht sich von der Politik u.a. weniger Bürokratie und eine deutlich bessere Refinanzierung für die Pflegedienste, damit dieser systemrelevante Beruf attraktiver wird.“.
Beate Ulrich, die Geschäftsführerin der Jugendhilfe Wolfenbüttel, brachte das Thema häusliche Gewalt in die Runde ein und wies auf die hohen Dunkelziffern, die unzureichende Finanzierung der Opfer- und Täterberatungsstellen und die große gesellschaftliche Dimension dieses Problembereichs hin: „Traumatisierte Menschen können nicht arbeiten, traumatisierte Kinder können nicht lernen!“ Sie brachte auch ein weiteres Schlaglicht in die Runde und betonte „Wir kennen die aktuelle Neiddebatte seit vielen Jahrzehnten. Ich fürchte, dass verschiedene Betroffene gegeneinander ausgespielt werden. Hier ist es an der Politik, zu erklären, aus welchen Gründen Menschen staatliche Bezüge bekommen“.
Sven Dickfeld knüpfte daran an und hob die gemeinsame Verant- wortung aller gesellschaftlichen Akteure hervor, sich deutlich gegen populistische Meinungs- mache und für ein solidarisches Miteinander zu positionieren. „Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass breite Bevölkerungsgruppen in Folge der Krise nicht abgehängt werden, sondern spürbare Unter- stützung bekommen.“ Ergänzend müssten auch Unternehmen und insbesondere die sozialen Organisationen bei Bedarf Hilfen erhalten, damit Arbeitsplätze und die Beratungs- und Hilfslandschaft nicht in Gefahr geraten. „Wir müssen alles dafür tun, dass Niedersachsen sozial bleibt“, betont Dickfeld.
Am Ende des zweistündigen Austausches waren sich alle Beteiligten einig, dass es nur gemeinsam durch die Krise geht und der begonnene Dialog in dieser Runde fortgesetzt werden sollte.